bis zum Horizont und hinter ihm geht er weiter bis zun nächsten |
Das Café Fryslân steht in Oostrum. Eastrum (auf
friesisch) gehört genauso wie Ee zur Gemeinde Dongeradeel. 200 Menschen leben
dort. Alles, was ich seit dreißig Jahren wusste, war - dass Oostrum auf dem Weg
nach Dokkum liegt, dass das halbe Dorf, die Wiesen und der kleine Anger im Ort
im Winter unter Wasser stehen, dass auf der einen Seite vor dem Dorf eine alte
Ziegelei zerfällt und auf der anderen Seite ein Bowlingcenter immer größer wird,
dass ich früher, vor dreißig Jahren, den Schafscherern zuschaute, den Arbeitern
in der Zieglei, sah wie das Bowlingcenter entstand, wie die ersten Touristen mit
Boot oder Auto von der Zuider See herkamen und im damals kleinen Hafen an der
Laauwerzee die Fischkutter bestaunten, deren Fischer einen Plastiksack oder
einen Korb voll Schollen packten und für diese zwanzig Schollen, Flundern oder
Knurrhähne sechs Gulden nahmen oder auch weniger.
Oostrum, das war auch immer die Kneipe, das Fryslân Café.
Und früher saßen da Fischer und Landarbeiter, Bauern, selten Touristen und wenn
dann die aus dem Ruhrgebiet, die sich eines der kaputten kleinen Huisjes gekauft
hatten für wenig Gulden und sommerlang reparierten, bis sie endlich wussten,
dass diese Landschaft nicht die Ihre war. Getrunken wurden Boerenjongen, also
Rosinen und Zucker aufgegossen mit Genever. Und immer jonge oder oude Genever.
Bier. Es wurde viel getrunken, sehr viel mehr als heute. Die wechselnden
Wirtspaare stellten Käsewürfel und Matjeshappen mit Gurke hin, es gab
Bitterballen zu bestellen und Tostis. Die Hoffnungen der Wirtspaare auf
Verdienst erfüllten sich selten. Erst als eine fröhliche ältere Frau mit einer
kratzigen Stimme und einem herrlichen Lachen das Kneipenhaus kaufte, renovierte,
einen großen neuen Tresen und Ofen hineinsetzen ließ, Dart und Spielautomaten
hinstellte, war der Wirtswanderung ein Ende.
einwerfen, klickern, rattern, drehen, ein Bier und - gewinnen |
Gerne war ich dort, auch wenn nach
und nach sich das Meiste änderte. Heute bewirtschaftet ein freundliches junges
Paar das Café Fryslân, der Mann in Arbeit, die Frau in der Kneipe. Dartclub und
Kartenspieler kommen. Und ich gewann in diesen Ferien vierzig Euro am
Spielautomaten (niederländische Spielautomaten müssen mehr Gewinne auswerfen als
in der BRD und sie sind moralische Anstalten, die alle zehn Minuten das Spiel
stoppen und anzeigen, wie lange man
spielt, wie viel Geld eingeworfen, verloren wurde).
Inzwischen weiß ich nun mehr über Oostrum: dass es als
Warft einige Jahrhunderte vor Beginn unserer Zeitrechnung zwischen den damaligen
Meeresarmen entstand. Die zum Teil um 1900 abgetragene Terpeoder Warft ragte
viereinhalb Meter hoch über dem Meeresspiegel. Der Wohnhügel hat eine Kreisform
mit Ringstraße. Auf dem südöstlichen Teil der alten Terpe stand Rinthjemastate,
ein alter Herrensitz. Ich weiß nun auch, dass die alte Dorfkirche aus dem 13.
Jahrhundert stammt und ursprünglich nach dem Heiligen Nikolaus benannt wurde.
Die Ziegelei am Grootdiep errichtete 1873 ein Jan Helder, der Schornstein misst
35 Meter. Und im 19. Jahrhundert wanderten mehr als zehn Oostrumer, junge Männer
und Dienstmägde, nach Übersee aus. Und ich weiß, weil ich die Grabungen
mitbekommen hatte, dass 2006 Überreste der Trichterbecherkultur gefunden wurden;
die archäologischen Untersuchen ergaben, dass die Reste dieser Siedlung aus der
Zeit von dreitausendvierhundert vor Christus stammen müssen. So früh war also
dieses Oostrum bewohnt, damals nah am Meer, zwischen Wasserarmen. An den
Grachten zwischen Nordmeer und Zuiderzee. Ich dachte, es ist schön von der
Geschichte und den Geschichten im Kleinen zu erfahren, zu hören. Jenseits der
vielen Kriege. Aber die Kriege waren eben auch in den Dörfern, Religionskriege,
Landkriege, spanische Soldaten und nahe bei Ee blieb ein napoleonischer Soldat
in Tibma und baute einen Hof auf und schon bin ich wieder in den Jahrhunderten
verschwunden, denn die Bauerschaft Die Tibben ist aus dem achten Jahrhundert.
Und was ich nun auch weiß, ist, dass Humaldawei 1885 gebaut wurde und zu den
nationalen Denkmälern von Ee gehört. So viel Geschichte im Kleinen und Großen
überall.