Jetzt ist August.
Ich denke an Friesland, an den Geschmack der Freiheit,
ich schreibe an einer so anderen langen Geschichte wie J. Monika Walther, aber ein wenig haben die Geschichten gemeinsam:
Dokkum
Huijse
Erinnerung
Zeitspaziergang
Die
Landschaft blass, der Lehmboden noch hell. So war es im friesischen März. Keine
Schwäne, keine Weißwangengänse. Letzte kleine und dünne Eisschollen, die in den
Grachten und Gräben hin und her schaukelten; dazwischen Enten. Wenige Schafe
auf den Wiesen, in dickem Winterfell eingehüllt. Der Himmel fahl mit
Schieferstrichen. Auf den Feldern wiegen sich dunkle Gerippe: die Sonnenblumen
vom letzten Jahr, Kohlstrünke und alte Lauchstangen. Nichts blüht. Das Wasser
schwappt grau und braun. Ein kühler Nebelschleier verbindet sich mit dem
Sonnenschimmer. Über das Märzbild schiebt sich ein Versprechen – aber der
Winter lässt nicht los. Es schneit im April. Enten, Gänse und Schwäne kommen,
fliegen kreuz und quer, und wieder weg. Im Mai werden die Schafe geschoren, die
Lämmer liegen auf den hellgrünen Weiden, die Tulpenfelder blühen. Stühle stehen
vor den Bauernhäusern und Kneipen, und Schilder. Bitterballjes.
Käse.Borgers immer.
Früher
war im Mai die Zeit des Streichens. Der dicke cremige Lack hielt Seele und
Häuser zusammen. Abwaschen, abkratzen, schmirgeln, zweimal streichen. Heute
sind die Einfassungen der Fenster und Dachrinnen, die Türen meist aus Plastik.
Die sollen halten, hoffen die Älteren. Zumindest so lange sie noch leben.
Früher kratzten und strichen Ans und ich je auf unserer Hausseite, erst vorne,
dann hinten und Jahr für Jahr versuchten wir die Farben anzupassen. Damals
musste es bei mir Farbe sein, also wenigstens blau oder grün, bordeauxrot. Ans
versuchte es mit einer dunkelgrünen Haustür, da war ich aber bei Blau. Ich
wurde älter und schlug schließlich ein mattes Elfenbeinweiß vor. Ja. Ich kaufte
die Farbe und zwei Pinsel.
Piet
und Ans waren sehr arme Bauersleute, mit elf Kühen in den besten Zeiten. Arm
von heute aus gesehen, aber arm auch von mir aus gesehen, obwohl ich eine
Studentin war, die sich nur arbeitend (Bibliothek), schreibend über die Runden
brachte und auf den Gleisen Kohlen aufsammelte, Holz sammelte und immer mit dem
Fahrrad unterwegs, um auf den Feldern Gemüse, Obst einzuheimsen. Und jeder Topf
wurde genutzt, um Holundersekt anzusetzen. Aber ich war am Anfang und Piet und
Ans am Ende. Heute weiß ich, wie sehr ich die beiden und den Zustand des Hauses
als Bauernhof in Puppenstubengröße liebte. Es war ein Glück. Für Ans nicht.
Nach dem Tod ihres Mannes ging sie weg. Weg von dem stinkenden Ölofen, dem
Kochen auf einem Gasbrenner, den ewigen Matschkartoffeln mit Soße und Kohl, dem
kalten Wasser aus dem Kran. Keine Dusche. Für sie war ihr warmes schönes Zimmer
in einem Alterheim in Dokkum ein Glück. Die neuen Nachbarn bauten als erstes
Zäune, stellten und pflanzten den kleinen Hof voll, brachten Schilder an wie:
Wachhund und Alarmanlage. Und ich sehe immer noch Ans in ihrem Overall und wir
kratzen und streichen.
Im Juni
werden die Farben warm, die Wiesen leuchten wieder grün, der Himmel
scheint blau, die Wolken türmen sich bis in die Unendlichkeit zu Segelschiffen.
Die Sonne ist warm und der Wind von der See duftet nach Schilf und Fisch. Im
Juli blühen die Hortensien in allen Farben, rot bis blau. Satte Farben. Die
erste Heumaat, die kräftige Würze ist in der Luft. Dasitzen und atmen, schauen.
Hoj sagen oder Dag. Das ist ein Glück.
© J. Monika Walther
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